Freitag, 20. Februar 2015

Skurrile Bekenntnisse


Vieles weiß man aus dem Leben großer Dichter, sei es nun aus ihren Werken oder aus Biografien. Doch so manches erfährt man nur beim Lesen der zahlreichen Erinnerungstafeln an Wiener Hauswänden. Oder wussten Sie, dass Adalbert Stifter am 8. Juli 1842 aus seiner Wohnung in der Seitenstettengasse 2 eine totale Sonnenfinsternis beobachtet hatte? Zugegeben, das sagt nichts über seine künstlerischen Fähigkeiten aus. Aber liegt der Reiz solcher Informationen nicht eben genau darin, dass sie einen Dichter "herunterholen" vom Sockel und ihm eine menschliche Dimension verleihen? So erfährt man beispielsweise dank einer aufpolierten Tafel, dass Peter Altenberg die letzten sechs Jahre seines Lebens im Grabenhotel Dorotheergasse 3 gewohnt hat. Wie wohl er sich dort fühlte, belegen die vielen kleinen Stimmungsbilder über Hotels und ihre Atmosphäre, die sich auf sein "einfenstriges Kabinett im fünften Stock" beziehen. Detektivischen Spürsinn braucht man dagegen, um die Dichter-Tafel vor dem Café Landtmann zu entdecken. Es scheint, als wolle sich heute niemand mehr daran erinnern, dass sich der Salon der Friedenskämpferin und Schriftstellerin Berta Zuckerkandl in ebendiesem Haus befand und sie in ihrer Rolle als Wiener Salonière junge Künstler förderte.

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