Montag, 23. Februar 2015

Wien is(s)t auch exotisch

Wien hat weder „Chinatown“ noch „Little Italy“, aber jede Menge Ethno-Lokale mit exotischem Flair und Küche – von tibetischen Dumplings bis zum australischen Heuschreckensnack.

Rein technisch gesehen wird die Welt täglich kleiner: Internet und Handy sorgen für sekundenschnelle Verbindungen, und wer mit einem Jumbo von Kontinent zu Kontinent jettet, umrundet die Erde in weniger als 70 Stunden. In kulinarischer Hinsicht wird die Welt allerdings täglich größer: Neben Pizza und Pasta, die schon fast als Hausmannskost gelten, und dem klassischen „Chinesen ums Eck“, der den traditionellen Beisln Konkurrenz macht, erobern neue ethnische Küchen die heimischen Gaumen: japanisches Sushi und mexikanische Enchilladas, indische Curries und marokkanisches Couscous, Pfeffertöpfe aus der Karibik und Kokossorbets aus Thailand kommen zwar nicht oft, aber immer öfter auf den Tisch. Die Zutaten gibt es frisch am Markt oder sie werden, wie in vielen guten Ethno-Restaurants üblich, direkt aus dem Ursprungsland importiert.

Der Supermarkt Prosi

Wer keine Lust hat, sich am Naschmarkt durch die Menschenmengen zu drängeln, muss sich auf den Weg Richtung Urban-Loritz-Platz machen. Im Schatten der neuen Hauptbibliothek findet sich Wiens wohlsortiertester Supermarkt für asiatische, afrikanische und lateinamerikanische Spezialitäten. Mehr als 5000 Produkte stehen zur Auswahl – von Saucen und Pasten über ein riesiges Angebot an Tiefkühlprodukten, speziell Meeresfrüchten, bis hin zu frischem Obst und Gemüse. Für Exotik-Neulinge besonders interessant: die vielen Convenience-Produkte, u.a. indische und thailändische Curries, Suppen und Gemüsegerichte, die nur mehr kurz erhitzt werden müssen.
Wo: Prosi Exotic Supermarket, 1070 Wien, Neubaugürtel 44,http://www.prosisupermarket.com/


Der Wiener Deewan

Inder gibt es viele. Und auch die pakistanische Küche ist in Wien ganz gut vertreten. So gesehen wäre der Wiener Deewan, vom exotischen Namen einmal abgesehen, nichts Außergewöhnliches. Was ihn dennoch von seinen Mitbewerbern unterscheidet, ist das Geschäftskonzept: Jeder zahlt fürs "all-you-can-eat"-Buffet, was es ihm Wert ist, frei nach dem Motto "Pay as you wish!". 
Fixpreise gibt es nur bei den Getränken, Wasser kommt selbstverständlich gratis auf den Tisch. Jeweils 5 Gerichte stehen zur Auswahl, davon 3 vegetarische Varianten – meist herrlich-cremige Currys mit selbst gemischten, gerösteten und gemahlenen Gewürzen. Weiterer Pluspunkt: Take-away (zu Fixpreisen), Zustellservice in die nähere Umgebung mit "Curry Carrier" und Catering.
Wo: Der Wiener Deewan, 1090 Wien, Liechtensteinstraße 10, Url: http://deewan.at/

Crossfield´s Australian Pub

Wien ist anders! Und so verwundert es nicht, dass mitten in der City ein kulinarischer Außenposten Australiens existiert. Wer hinabsteigen will in die Welt von "Down Under", bekommt hier inmitten einer nachgebauten australischen Opalmine exotische Köstlichkeiten serviert – vom zarten Straußen- und Känguruh-Steaks über Krokodilfilets bis zu frittierten Heuschrecken. Die (vermeintliche) Mutprobe lässt sich leichter bestehen, wenn die Snacks der etwas anderen Art mit einem ordentlichen Schluck "Ayer's Rock Red" hinuntergespült werden. Schräg sind auch die wöchentlichen "Travia-Nights": Wer 20 Fragen aus allen nur denkbaren Wissens- und Sachgebieten beantworten kann (solo oder als Team), gewinnt den Jackpot mit australischen Goodies im Wert von 160 Euro.
Wo: Crossfield's Australian Pub, 1010 Wien, Maysedergasse 5, www.crossfield.at

Buchtipp "Wien, wie es isst"


Wien, wie es isst: Wiens umfangreichster Lokalführer mit über 4000 aktuellen Adressen, vom Würstelstand bis zum Gourmetrestaurant – benutzerfreundlich geordnet nach Bezirken, Kategorien und Alphabet. Mittlerweile ebenfalls schon Tradition: die Kom­men­tare und Empfehlungen profilierter Esser und Trinker samt Einkaufstipps. Direktbestellung im bookshop: www.falter.at

Sonntag, 22. Februar 2015

Markt-Tag ist Genuss-Tag

Mit achtzehn ständigen Märkten, unzähligen Wochenmärkte und dutzenden Gelegenheitsmärkten ist in Wien jeder Tag Markttag. Und Genusstag zugleich, denn die Märkte bieten Kulinarisches aus aller Welt – zum Verkosten, Mitnehmen oder Vor-Ort-Genießen.
Mehr als hundert Märkte hat der Wien-Kenner Walter T. Bauer in der Bundeshauptstadt gezählt – vom Altwiener Ostermarkt auf der Freyung, der mit Lokalkolorit punktet, bis zum prominenten Naschmarkt, der Gourmets und Touristen gleichermaßen anzieht.
Begonnen hat die wechselvolle Geschichte der Wiener Märkte bereits im Jahr 1150 mit der Verlegung der Babenberger-Residenz nach Wien. Ab diesem Zeitpunkt mussten durchziehende Kaufleute ihre Ware hier präsentieren – und trafen sich zu diesem Zweck auf Marktplätzen, deren Namen noch heute auf die frühere Nutzung verweisen: Hoher Markt, Fleischmarkt, Getreidemarkt oder Bauernmarkt.
Aber auch außerhalb der Stadtmauern wurde rege gehandelt. Beispielsweise "am Schanzl", wie der Uferstreifen des Donauarmes zwischen dem Rotenturm-Tor und der Kirche Maria am Gestade damals genannt wurde. Oder am "Ochsengries", wo jede Woche freitags am linken Ufer des Wienflusses im Bereich des heutigen Beethovenplatzes Schafe und Schweine, Rinder und Kälber verkauft wurden.
Von Fisch einmal abgesehen, wird heute kaum mehr Lebendvieh verkauft. Dafür kulinarische Köstlichkeiten aus aller Welt: Ob Altwiener Schmankerln oder türkischer Kebap, italienische Pasta oder chinesische Dim Sum – was auch immer der Gaumen begehrt, wird auf Wiens Märkten angeboten.
Wer hier lebt, hat also die Qual der Wahl – denn es lohnt sich, einmal über die eigenen Bezirksgrenzen hinweg das Marktangebot zu testen. Zehn sehr unterschiedliche Wiener Märkte stellen wir hier vor – 5 ständige Märkte, 5 Gelegenheitsmärkte. Eine Übersicht aller Märkte in Wiens Bezirken finden Sie auf der Internetseite des Wiener Marktamtes.

Naschmarkt

Der "Bauch von Wien" ist vielleicht nicht ganz so spektakulär wie seine Namensbrüder in Barcelona oder Paris – aber definitiv die heißeste Meile der ganzen Stadt für alle, die gerne shoppen und genießen. Die riesige Auswahl an exotischen Lebensmittel macht denNachmarktzum kulinarischen Multi-Kulti-Einkaufsparadies. Und nirgendwo sonst findet sich diese Kombination aus exzellenter Lebensmittelauswahl und abwechslungsreicher Gastronomie auf so engem Raum.

Flohmarkt Linke Wienzeile

1977 wurde der erste Flohmarkt im äußeren Bereich des Naschmarktes veranstaltet – mit mehr als 300 Verkäufern und tausenden Kaufwilligen. 
Mittlerweile ist er eine Institution – und die Jagd nach heißbegehrten Sammlerstücken und schnellen Schnäppchen ein wahrer Volkssport.

Karmelitermarkt

Kein Geheimtipp mehr – aber immer noch nicht überlaufen, und daher ein perfekter Ort für Liebhaber von entspanntem und entspannendem Einkaufsvergnügen. Umringt von schönen Häusern und einer überaus lebendigen Lokalszene, findet hier einer der besten Bauernmärkte Wiens mit naturbelassenen Wurst-, Fleisch- und Obstwaren statt. Neu: Wiens erster Slow Food Corner, wo jeden Samstag zur Verkostung neuer Produkte eingeladen wird.

Antiquitätenmarkt Am Hof

Hier schlagen Sammlerherzen höher: Ob antike Kunstgegenstände oder handgeschliffene Gläser, feines Porzellan, silbernes Besteck oder antiquarische Bücher – bei den 40 Antiquitätenhändlern Am Hof finden sich jedes Wochenende neue Raritäten.

Viktor-Adler-Markt

Mitten im "zehnten Hieb" drängt man sich durch ein Gewirr von multiethnisches Marktständen und Geschäften – vermutlich nicht viel anders als vor 125 Jahren, als der urige Marktplatz in Favoriten eröffnet wurde. Die engen Gassen mit den bunten Markisen garantieren sogar im Hochsommer angenehme Kühle. Am Bauernmarkt bieten bis zu 60 Produzenten ihre frische Ware feil. Wer Zeit hat zum Flanieren, entdeckt kleine Spezialitätenläden, in denen duftende Schätze wie in Höhlen verborgen sind.

Ü-Ei & PEZ Börse

Mehrmals im Jahr dreht sich alles ums Ei. Genauer gesagt: Ums Überraschungs-Ei. Und um die PEZ-Spender. Denn beide werden von Fans nicht nur gesammelt, sondern auf einer speziellen Börse auch fleißig getauscht und verkauft – ebenso wie das passende Zubehör, Werbematerial und andere Sammelobjekte.

Brunnenmarkt

Der Bobo-(Bourgeoise-Bohemien)-Faktor ist hier zu vernachlässigen: Wer auf Wiens letztem reinen Straßenmarkt seine Runden dreht, fühlt sich eher wie in einem orientalischen Souk. 
Denn nicht nur die Markstandler, auch die Käufer stammen zum Großteil aus dem türkisch-griechisch-levantinischen Raum. Der Ton ist rau, das Angebot reicht von Lebensmitteln bis zu Socken, und wer Lokalkolorit zu schätzen weiß, gönnt sich zum Abschluss wahlweise "Kebap extrascharf" oder "a Burenhäudl und an Buggl" an einem der unzähligen Imbiss-Stände.

Markt am Donaukanal

Flanieren und gustieren lässt es sich in den heißen Sommermonaten in der schattigen Promenade am Donaukanal. Ausgestellt wird hier vor allem Kunsthandwerk, aber auch Bücher- und Antiquitätenhändler bieten an den Sonntagnachmittagen ihre Ware feil.

Meidlinger Markt

Gut versteckt zwischen der Reschgasse und der Niederhofstraße ist das Markgeschehen noch fest in heimischer Hand: Am Meidlinger Markt sind die österreichischen Kaufleute in der Überzahl und die alte Tradition, Marktstände über viele Generationen in der Familie weiterzugeben, wird hoch gehalten. Neben Lebensmittelständen finden sich auch Gebrauchswaren- und Textilhändler, ein althergebrachter Laden für Gemüsekonserven und am Wochenende mobile Bauernstände mit frischer Ware aus Wiens Umland. Hektik ist hier ein Fremdwort – wer den Einkauf am Meidlinger Markt genießen will, braucht Zeit – und einen guten Schmäh.

Kunsthandwerk am Spittelberg


Nicht nur während der Adventszeit geht es im malerischen Ambiente der Spittelberggasse hoch her – auch in den Sommermonaten veranstaltet der Verein "Kunst + Handwerk vom Künstler" regelmäßig Kunsthandwerksmärkte mit Schmuck und Keramik, Metall- und Glasobjekten, Gestricktem und Gefilztem.
Wann & Wo: jedes erste Wochenende im Monat, Mai bis September, 1070 Wien, Spittelberggasse

Zentralfriedhof Wien

Dass die Wiener im Vergleich zu anderen Großstädtern eine besonders enge Beziehung zum Tod haben, sei zwar ein Klischee – aber ausnahmsweise eines, das stimmt, meint die Autorin Hanne Egghardt. Und liefert gleich passende Beispiele: Beim Heurigen kippt die sprichwörtliche Wiener Gemütlichkeit gern in eine abgrundtiefe Tod-Traurigkeit. Die sterblichen Überreste der Angehörigen des Kaiserhauses ruhen in Grüften, in denen ein eleganter Hauch von Ewigkeit weht. Ganze Museen mit Kuriositäten und Skurrilitäten rund um den Tod verbreiten wonnige Schauer. Und eine "schöne Leich", wie das repräsentative Begräbnis mit großer Trauergemeinde genannt wird, gibt immer noch Anlass zum Schwärmen. Egghardts Fazit: Die Todessehnsucht hat in Wien Heimatrecht. Und das sei eigentlich nur logisch: Denn die Wiener lieben das Leben. Also lieben sie auch den Tod, die andere Seite des Lebens.

Aphrodisiakum für Nekrophile

Besonders deutlich wird das am Zentralfriedhof. Mit einer Fläche von 2,4 Quadratkilometern und mehr als 300.000 Gräbern, in denen 3 Millionen Menschen bestattet sind, ist er nicht nur die größte Begräbnisstätte Europas, sondern auch ein beliebtes Ausflugsziel. "Aphrodisiakum für Nekrophilie" nannte ihn André Heller. Und tatsächlich scheint sich niemand an der Präsenz des Todes (und der Toten) zu stören. Die parkähnliche Anlage gilt vielen Wienern als idealer Ort zum Spazieren und zum Flanieren, als perfekter Treffunkt für intime Rendezvous oder sommerliche Picknicks mit Kind und Kegel. Man labt sich vor den Friedhofstoren an Würstelständen, kauft beim Blumenhändler den obligaten Sonntagsstrauß für die Frau Mama und kommt mit ein wenig Glück noch gratis in den Genuss höchster Kunst. Dann nämlich, wenn sich Philharmoniker und Chorsänger aus der Staatsoper am Rand offener Gräber mit schmalzigen "Averln" (Gounods "Ave Maria") oder gestrichenen Trauermärschen etwas dazu verdienen.
Selbst gejagt wird zwischen Kreuzen, Grabsteinen und Laternen: Jeden Herbst pirscht die Simmeringer Jägerschaft über den Zentralfriedhof und sorgt dafür, dass die Zahl der Hasen und Fasane nicht überhandnimmt.

Sparsarg & Schöne Leich

Ein Spaziergang durch die Gräberreihen zeigt aber auch: Für die Ewigkeit ist den Wienern nichts zu teuer. Mit der "schönen Leich", einer Beisetzung in großem Stil mit prunkvollem Kondukt, professionellen Grabrednern und opulentem Leichenschmaus, erweisen sie ihren Nächsten die letzte Reverenz. Immerhin die Hälfte aller Hinterbliebenen entscheidet sich für das kostspielige "Begräbnis erster Klasse". 
Gespart wird lieber anderswo. Und das schon seit ewigen Zeiten. Als Kaiser Joseph II. 1785 den "Sparsarg" verordnete, einen wieder verwendbaren Sarg mit Klappe auf der Unterseite, durch die der Tote ins Grab befördert werden konnte, stieß er auf erbitterten Widerstand. So genial die Erfindung auch war, die Wiener lehnten sie strikt ab, machten ihrer Entrüstung in Tumulten und Protestmärschen Luft und zwangen den Herrscher, seine Verordnung wieder zurückzunehmen.
Mit einer anderen Verordnung hatte die Obrigkeit mehr Glück. Obwohl der Eröffnung des ersten wirklich interkonfessionellen Friedhofs im Jahre 1874 bewegte Kontroversen vorausgingen, fand man einen Kompromiss. Heute gibt es in der Simmeringer Totenstadt neben dem katholischen Teil und den Ehrengräbern fünf weitere "Stadtviertel": Die alte und die neue israelitische Abteilung, die zusammen rund ein Drittel des gesamten Friedhofareals einnehmen, die evangelische Abteilung, die russisch-orthodoxe Abteilung, die Gedenkanlage für die Opfer im Kampf um Österreichs Freiheit 1934 – 45 und den "Friedhof der Roten Armee", wo die Grabinschriften in cyrillischer Schrift eingemeißelt sind.

Österreichisches Pantheon

Gleich bei Tor 3, dem prunkvollen, 1905 von Max Hegele gestalteten Hauptportal, beginnt die "City", in der die Reichen und Berühmten ihre letzte Adresse gefunden haben. Von "Ruhe" ist in diesem österreichischen Pantheon kaum die Rede, denn die Allee mit ihren Ehrengräbern ist der meistbesuchte Platz des Friedhofs. 
Beim Aufseher am Haupttor liegt ein Detailplan auf, ein Wegweiser zu den Ruhestätten großer Persönlichkeiten wie Johannes Brahms, Johann Strauß Vater und Sohn, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Arthur Schnitzler, Curd Jürgens oder Helmut Qualtinger, von dem der wunderbare Ausspruch stammt: "In Wien musst' erst sterben, bevor sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst' lang." Nicht alle Gräber der V.I.P.-Abteilung beinhalten auch denjenigen, der draufsteht. Manchmal handelt es sich um ein reines Denkmal – wie bei Wolfgang Amadeus Mozart, der auf dem Friedhof St. Marx in einem Massengrab beerdigt wurde und dessen mutmaßlicher Schädel sich im Mozarteum in Salzburg befindet.
Zu einer wahren Pilgerstätte für Fans aus aller Welt hat sich in den vergangenen Jahren das überlebensgroße Ehrengrab von Johann Hölzel alias "Falco" entwickelt. "Österreichs einziger Popstar" verstarb am 6. Februar 1998. Und auch von ihm ist eine typisch österreichische Songzeile geblieben: "Muss ich erst sterben, um zu leben?".

Erst wann´s aus wird sein

Unbeabsichtigt hat der Falke damit einen Bogen zum Wienerlied geschlagen. Denn auch dort ist der Tod allgegenwärtig und tritt immer dann auf, wenn man ihn am wenigsten erwartet. 

Beim Heurigen etwa, wenn die Wellen der Gemütlichkeit und Weinseligkeit am höchsten schlagen. Nicht grausam, nicht furchterregend, sondern als geradezu selbstverständliche Tatsache, als Freund. 

"Erst wann's aus wird sein, mit aner Musi und an Wein..." ist eine Erinnerung an den Tod, die sich ebenso leicht singt wie "Verkauft's mei G'wand, i fahr in Himmel", oder das alte Fiakerlied: "Und kummt's amol zum O'fahrn, und wir i dann begrab'n, dann spannt's ma meine Rapp'n ein und führt's mi übern Grab'n..." Geradewegs Richtung Zentralfriedhof. Denn dort sind die echten Wiener zuhause. Wenn's erst einmal wirklich aus ist...

Es lebe der Zentralfriedhof

Wiener Museums-Landschaft

Die Museumslandschaft in Wien treibt auch skurrile Blüten und (ver-)führt interessierte Besucher in die Welt der Pomfineberer und Hutträger, der Ziegelschupfer und Krimineser.

Vielleicht liegt es an der Sammelleidenschaft der Wiener, vielleicht auch nur daran, dass in der ehemaligen Hauptstadt eines Weltreiches mit 50 Millionen Menschen soviel an Ausstellenswertem „hängen geblieben“ ist. Mit knapp 200 Museen und Gedenkstätten aus unterschiedlichsten Bereichen ist Wien in jedem Fall eine echte Schatzkammer für Freunde musealen Zeitvertreibs.
Denn es scheint kaum ein Thema zu geben, das nicht „museumswürdig“ wäre – von der Afrika-Kaffa-Äthiopien-Sammlung in Hietzing bis zum Ziegelmuseum in Penzing (nachzulesen im Internet unter www.wien-vienna.at und www.wien.gv.at).

Bestattungsmuseum

Der Tod, das muss ein Wiener sein... deshalb wurde hier auch die Beerdigung und die "schöne Leich" zur Kunst erhoben. Neben vielen anderen makaberen Exponaten ist im Bestattungsmuseum auch der berühmte "Sparsarg" aus den Tagen Josef II. ausgestellt: Er ließ sich mittels einen Klappe unten öffnen, die Leiche fiel ins Grab – und der Sarg wurde weiterverwendet.
Infos: BESTATTUNG WIEN GmbH, Goldeggasse 19, 1041 Wien, Tel.: 501 95 0, Mo. – Fr. 12 – 15 Uhr, freier Eintritt, telefonische Voranmeldung.

Afrika-Kaffa-Äthiopien-Sammlung

Der größte Teil der umfang­reichen Sammlung des Afrika-Kenners Friedrich Julius Bieber befindet sich im Wiener Völkerkundemuseum. Sein Arbeitszimmer und viele Sammelstücke aus Privatbesitz wurden allerdings dem Bezirksmuseum Hietzing einverleibt. Der ehemalige Mitarbeiter der österreichischen Handelsmission in Abessinien erhielt Anfang des vorigen Jahrhunderts vom Negus persönlich die selten erteilte Erlaubnis, die Provinzen des ehemaligen Kaffa zu erforschen.
Infos: Bezirksmuseum Hietzing, Am Platz 2, 1130 Wien, Tel.: 877 76 88, Mi. 14 - 18 Uhr, Sa. 14 - 17 Uhr, So. 9.30 - 12 Uhr, freier Eintritt.

Circus- und Clownmuseum

Nicht nur für Kinder ein Hit: Die zirkushistorische Sammlung des Museums für Unterhaltungskunst mit Originalkostümen, alten Urkunden, Dioramen und wertvollem Bildmaterial. Ein Teil der Ausstellung ist dem Wiener Prater gewidmet. Prunkstücke sind Erinnerungen an die einst weltbe­rühm­te Raubtierdompteuse Miss Senide und den russischen Rumpfmen­schen Nico­lai W. Kubelkoff, dem das Calafatti-Ringelspiel, ein Tobogan und die Mane­ge "Parisien" gehörten.

Infos: Circus- und Clownmuseum, Ilgplatz 7, 1020 Wien, Tel.: 0676/340 75 65, Sonntag, 10.00 - 13.00 Uhr, jeden 1. u. 3. Donnerstag im Monat, 19.00 - 21.00 Uhr

Kaiser Franz Joseph Hutmuseum

Anderswo mag es heißen: "Finger weg!". Im Kaiser Franz Joseph Hutmuseum dürfen viele Exponate nicht nur berührt, sondern auch getragen werden. 
Das Erlebnis-Museum liegt im 300 Jahre alten Piaristenkeller, die Führungen erfolgen bei Kerzenschein im Beisein eines Weinexperten, der Geschichte und Zeitgeist der K.u.K. Zeit "erlebbar" macht – und dazu einen guten Schluck serviert.
Infos: Piaristenkeller, Piaristengasse 45, 1080 Wien, Tel.: 406 01 93, spezielle Arrangements nach tel. Vereinbarung

Wiener Kriminalmuseum

Ob Anarchistenterror oder die Geschichte vom poetischen Dienstmädchenmörder Hugo Schenk - das "dunkle Wien" der letzten dreihundert Jahre wird beim Gang durch das Kriminalmuseum wieder lebendig. 

In zwanzig Räumen durchschreiten die Besucher die Geschichte der Kriminalität und der "Krimineser" (= Kriminalbeamten) vom späten Mittelalter bis in neue Zeit. Idyllischer Gegensatz: der malerische "Pablatschenhof" des Hauses, ein architektonisches Juwel aus der historischen Vorstadt.
Infos: Kriminalmuseum, Große Sperlgasse 24, 1020 Wien, Tel.: 214 46 78, Do. – So. 10 -17 Uhr und nach tel. Vereinbarung.

Männer-Gesangverein Museum

Es gibt solche und solche Museums-Schätze. Im Chormuseum des Wiener Männergesang-Vereins sind die Schätze zum Teil recht skurril: Eine Nachbildung des Schädels von Franz Schubert und der Sargschlüssel in Gold von seiner Wiederbestattung, eine Haarlocke Ludwig van Beethovens und ein Tapeten- und Parkettbodenstück aus seinem Sterbezimmer, Anton Bruckners Totenmaske und last, but not least, die Bürgerurkunde von Johann Strauß Sohn.
InfosChormuseum im Gebäude der Gesellschaft der Musikfreunde, Bösendorferstraße 12, 1010 Wien, Museumsführungen werden nach telefonischer Vereinbarung mit Erich Lebisch unter der Telefon Nr.: 06644004211 gerne angeboten.

Wiener Ziegelmuseum

Man glaubt es kaum, aber es gibt tatsächlich Menschen, die extra in den 14. Bezirk fahren, um sich Ziegel anzusehen. Nicht irgendwelche Ziegel, zugegeben. Sondern Europas größte Mauerziegelsammlung, ergänzt durch Dachziegel, Pflasterziegel, Fassadenelemente, Ofenkacheln, Mosaikplatten und dergleichen mehr. Schwerpunkt ist der Aufbau einer Dokumentation aller in Österreich je gewesenen bzw. noch bestehenden Ziegelöfen und einer Ziegelzeichen- und Ziegelofenkartei.
Infos: Ziegelmuseum, Penzinger Straße 59, 1140 Wien, Tel.: 897 28 52, jeden 1. + 3. Sonntag im Monat von 10 - 12 Uhr, 

Erstes Wiener Schokoladenmuseum


Alles was Sie schon immer über Schokolade wissen – und erschmecken wollten. Denn im Schokomuseum wird selbstverständlich nicht nur gezeigt, wie man aus Schokolade kleine Kunstwerke macht – die essbaren Köstlichkeiten dürfen auch vor Ort verkostet werden. 
Natürlich frisch aus Meisterhand, schließlich befindet sich das Museum direkt am Produktionsstandort der Confiserie Heindl.
Infos: Schokolademuseum, Willendorfergasse 2 - 8, 1230 Wien, Tel.: 667 21 10-0, Führung Mo. – Do. jeweils 14 Uhr, Gruppenführung nach tel. Vereinbarung

Im Prater blühen wieder die Bäume

Ob Riesenrad, Hochschaubahn, Ringelspiel, Calafati oder Praterauen, Lusthaus, Schweizer Haus, der Prater lädt ganzjährig zur Erholung ein.

Unterm Riesenrad

Um sich in Kopenhagen zu amüsieren, geht man in den Tivoli. Wer in Paris eine elegante Promenade sucht, schlendert über die Champs-Élysées. Die Münchner spazieren durch den Englischen Garten, um am Chinesischen Turm ein Bier zu trinken. Die Londoner machen am Sonntag einen Ausflug zum Pferderennen nach Ascot und die New Yorker joggen durch den Central Park. Den Wienern imponieren diese berühmten Stätten der Freizeitgestaltung wenig, denn "ihr" Prater bietet das alles seit mehr als 250 Jahren – und noch viel mehr!
1766 wurde das ehemals kaiserliche Jagdgebiet jenseits des ersten Bezirks für jedermann geöffnet. Eine Ankündigung, die von der Stadtbevölkerung mit großer Begeisterung aufgenommen wurde. Seither wohnen und leben die Wiener mit und in "ihrem" Prater, so wie sie auch mit und in "ihrem" Kaffehaus leben und wohnen. Denn das Gebiet zwischen Riesenrad und Lusthaus, zwischen Jesuitenwiese, Trabrennbahn und Donauauen war und ist ein Freizeitparadies vom Feinsten – besser, schöner und vor allem vielseitiger als jedes moderne Disneyland.
Hier gab (und gibt) es das ganze Jahr über unendlich viel zu sehen und zu erleben: Lärmende Gasthäuser und stille Kaffehausterrassen, Zirkus und Feuerwerk, Blumenkorso und Marathon, Riesenrad und Lilliputbahn, Volkssänger und Wanderkomödianten, Sterngucker und Wahrsagerinnen, Herrenreiter und Prater-Dirnen, Hutschenschleuderer und Glücksritter, kurz: Beschaulichkeit und Sensation, Sport, Vergnügen und Laster. Wie in einem Brennspiegel kommt die ganze Vielfalt der Donaumetropole zusammen – und nicht nur die Wiener lieben das Ergebnis, sondern auch alle auswärtigen Besucher. Selbst Napoleon, der Wien 1805 besetzte, konnte sich dem Reiz des Praters nicht entziehen und ließ seine Generäle wissen, dass er "die Tuilerien dafür geben würde, könnte ich den Parisern diesen Wald mitbringen".

Der Prater feiert und tanzt

Was den Prater so unvergleichlich macht, hat schon so mancher Schriftsteller zu beschreiben versucht. Kaum einer hat allerdings so viele alte "Gschichteln" und Augenzeugen-Berichte, amüsante Anekdoten und historische Dokumente zusammengetragen wie Bartel F. Sinhuber in seinem Prater-Buch "Unterm Riesenrad". Er nimmt den Leser mit zurück bis zum ersten grossen Praterfest im Lusthaus, mit dem 1814 der tanzende Wiener Kongreß eröffnet wurde und das dem Prater zu seiner weltweiten Berühmtheit verhalf. Er berichtet von populären Attraktionen und verschwiegenen Aktionen, von bekannten Praterunternehmern wie Calafatti und von den geheimgehaltenen Pannen beim Bau der Rotunde. Und er läßt den Leser an den Pferderennen in der Freudenau und den Fiakerrennen in der Krieau teilnehmen, zeigt ihm auf der Terrasse der Meierei die sonntäglichen Flaneure und erzählt ihm dabei, was unterm Riesenrad verschwunden, was geblieben und was in den letzten Jahren wiederbelebt wurde.
Denn der Prater ändert sich, ohne dabei jemals sein typisches Flair zu verlieren. Bestes Beispiel dafür sind die Gasthäuser und Kaffees in und rund um den Wurstelprater. "Wer sehen will, wie gerne die Wiener essen und trinken, der gehe hierher und er wird staunen", schrieb ein Praterbesucher des ausgehenden 18. Jahrhunderts in sein Reisetagebuch: "Man speisset hier von 10 Creutzern an bis zu 3 und 4 Gulden und an schönen warmen Sonntagen sind die Gasthäuser bis auf den letzten Platz besetzt." Daran hat sich (von den Preisen einmal abgesehen) bis heute nichts geändert, auch wenn es Traditionslokale wie den "Glückshafen", den "Eisvogel" oder das "Weiße Rössl" schon lange nicht mehr gibt. Dafür hat der "Englische Reiter" ebenso überlebt wie das "Schweizerhaus", in dem seit ewigen Zeiten die besten Stelzen serviert und das süffigste Pilsner ausgeschenkt werden.

Ringelspiel & Hochschaubahn

Überlebt haben auch viele der alten Praterattraktionen – vom Riesenrad bis zum Ringelspiel. Ersteres wurde 1897 vom englischen Ingenieur Walter Basset aufgestellt und war ursprünglich mit 30 Waggons ausgestattet. Letzteres hat seinen Namen, weil die Fahrgäste, die auf kunstvoll gestalteten Hutschpferden in luftige Höhen geschwungen wurden, während ihres "Rittes" mit langen Stangen in Ringe stechen konnten.
Mit der Entwicklung der Technik und der Elektrizität wurde das Unterhaltungsangebot im Prater immer vielfältiger. Im aufkommenden Eisenbahnzeitalter gründete der in Triest geborene Basilio Calafati im Jahre 1844 das erste Eisenbahnkarussell. In dieser Hütte wurde kurz darauf die Figur des "großen Chinesers" als Mast aufgestellt. Als die "lebenden Bilder", die Kinomatographie, entstand, gab es prompt das erste Prater-Kino. Und kaum war Strom verfügbar, drehte auch schon eine elektrisch betriebene Grottenbahn ihre Runden, gefolgt von einem "Autodrom" und der ersten echten "Geisterbahn". 1928 wurden dann die Schienen für eine verkleinerte Form der großen Dampflokomotiven, die "Liliputbahn", gelegt, die heute noch Groß und Klein durch die Praterwälder fährt.
Verschwunden sind dagegen die von den Wienern heißgeliebten Abnormitätenshows, bei denen Liliputaner, Haarmenschen, siamesische Zwillinge und andere "Freaks" gegen wenig Geld zur allgemeinen Belustigung freigegeben wurden. Die dicke Prater-Mitzi oder der aus Russland stammende Rumpfmensch Kobelkoff, aber auch das gespenstische "Zaubertheather" von Kratky Baschik bereicherten die Morphologie der bizarren Praterlandschaft.
Von der Geschichte gänzlich verschluckt wurde auch das prachtvolle "Venedig in Wien". Auf dem Gelände der heutigen Kaiserwiese befand sich um die Jahrhundertwende eine künstlich nachgebaute Lagunenstadt mit venezianischen Palazzi und Gondelfahrten, in der sich nicht nur die High-Society, sondern auch die böhmischen Dienstmägde und die Soldaten des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaates amüsierten. Berühmt-berüchtigt waren die exotischen Veranstaltungen, mit denen immer neue Besucher angelockt wurden: Stierkämpfe und Damenboxen, Raubtierdressur und japanische Ringkämpfe, Rollschuhshows und Gauklerbühnen.
The Wiener Riesenrad (Bild: AllPosters)

Als in Wien das Licht anging



Auf den ersten Blick ist Wien eine moderne Großstadt, doch wer genauer hinsieht, findet unzählige Relikte aus der „guten alten Zeit“.

Der Drehbuchautor und Dokumen­tarfilmer Hermann Delacher hat sich mit der Neugier des leidenschaftlichen Stadtwan­derers auf die Suche nach den Ursprüngen unserer Alltagskultur gemacht und ent­deckte dabei Kurioses, Skurriles und Schräges aus der versunkenen Welt des alten Wien.

Die meisten Wiener glauben, ihre Stadt zu kennen. Sie wissen, wo es die besten Schnitzel und den süffigsten Wein gibt, in welchen verschwiegenen Ecken man sich unentdeckt romanti­schen Gefühlen hingeben kann und an welchen Orten das pralle Leben lockt, wann Hermann Leopoldi das letzte Mal den „Stillen Zecher“ gesungen hat und wie lang der Watschenmann im Wurstelprater schon auf den Held der Vorstadt wartet.

Drehbuchautor & Dokumen­tarfilmer H. Delacher

Umso erstaunlicher, dass erst ein Salzburger kommen musste, um den Wienern zu zeigen, dass ihre heiß geliebte Stadt noch mit zahlreichen kuriosen und bizarren, schrulligen und extrav­aganten Alltags-Geschichten aufwarten kann, die kaum ein Einheimischer kennt, geschweige denn ein "Zuagroaster" oder ein Tourist.
Oder wussten Sie, dass die ersten Straßenlaternen, die 1688 unter Kaiser Leopold I. "zur Abwendung und Verhütung nächtlicher Ungelegenheiten" entzündet wurden, so unbrauchbar-trübe Funzeln waren, dass die Wiener spotteten, man zünde sie nur an, "damit man sieht, wie finster es ist."? Dass die erste Frau am Wiener Galgen eine Gattenmörderin war, die bei ihrer Hinrichtung 1809 auf der Richtstätte bei der Spinnerin am Kreuz für einen "unbeschreiblichen Zulauf des Volkes sorgte, da man in Wien noch keine Weibsperson hatte hängen sehen", wie die zeitgenössischen Tageszeitungen zu berichten wussten? Oder dass es knapp nach der Jahr­hundertwende bereits 59 öffentliche Bedürfnisanstalten mit 434 Wasserklosetts gab, die aller­dings aus unerfindlichen Gründen nicht von einem Wiener, sondern von einem Berliner Unternehmen errichtet worden waren?

Zeiselwagen & Sesselträger

Die Entwicklung Wiens und der Umbruch zur Moderne ist gepflastert mit derartigen Kuriositäten und Attraktionen, die allerdings in vielen Bereichen die Basis für jene Standards im Transport und bei der Energieversorgung, im Gesundheitsbereich und in kulturellen Belangen bilden, die wir heute für selbstverständlich halten.
Ein typisches Beispiel ist der "Zeiselwagen", von seinen Benutzern liebevoll "Linienschiff", "Luftbiskotten" oder "Lemonikraxn" genannt. Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Wien die sonntäglichen Visiten aufs Land in Mode kamen, zwängten sich so viele Ausflügler auf die Holzbänke dieser erstmals für jedermann erschwinglichen Transportmittel, dass die Kutscher mit ihren typischen weißen Hüten, vulgo "Pinsch", auf den Deichselstangen sitzen mussten. "Durch diese Fuhrwerke ist es auch der ärmsten Klasse möglich, sich am Sonntag auf dem Land zu unterhalten und dort tiefste und nachhaltende Beglückung der Seele nach dem grauen Alltag des Großstadtlebens zu finden", notierte ein sozialromantischer Wienbesucher anno 1833.
Um ihr Seelenleben ging es den Ausflüglern damals allerdings ebenso wenig wie den Heuri­genbesuchern heute: Was sie suchten (und fanden) waren kulinarische Genüsse und boden­ständige Unterhaltung. Im Paradeisgartel auf der Mölkerbastei promenierte man zwischen Springbrunnen und Salettln oder trank im Kaffeehaus des einstigen Spions Pietro Corti Limo­nade und Mandelmilch, in Schönbrunn besuchte man die exotischen Elefanten, im Augarten ließ man sich vom Hoftraiteur Jahn die besten Weine und Liköre servieren, und wer viel Zeit hatte, machte zuerst eine kurze Pilgerfahrt um den Kalvarienberg und delektierte sich anschließend bei den fliegenden Händlern an Brezeln und türkischem Honig, gesponnenem Zucker und picksüßem Marzipan.

Watschenmann & Praterfee


Absoluter Hauptanziehungspunkt war aber – damals wie heute - der 1766 von Joseph II eröffnete Prater, wo Dutzende "bürgerliche Gast­geber und Kaffeesieder" für gastronomische Vielfalt sorgten. Wer nicht mit einem eigenen Picknickkorb kam, konnte beim Salmutschi einkaufen, sich vom Radimann einen Rettich kunstvoll in Lampionform schneiden oder sich von der Znaimerin saftige Gurkerln aus dem Fass fischen lassen. Die besten Backhendln gab es im Wirtshaus "Zum grünen Paperl", die beste Musik beim "Swoboda", und wer vom vielen Ringelspielfahren schwindlig wurde, kehrte beim "Walfisch" auf ein Wienerschnitzel ein.
Für Unterhaltung war ebenfalls gesorgt: Die Vorgänger der modernen Eventkünstler und Aktionisten, der Straßenmusiker und Bühnen-Stars waren reisende Schausteller und Kunst­reiter, Eskamoteure und Voltigeure, Akrobaten und Artisten. Mitte des 19. Jahrhunderts besaß ein Herr Heinrich Schreyer im Prater sogar ein echtes Affentheater, und wer 12 Kreuzer auf den Tisch legte, konnte in der Jägerzeile einen ausgewachsenen Stier bewundern, der wegen seiner "Frömmigkeit" zu Ruhm und Ehren gelangt war. In den Abendstunden sorgte der begnadete Feuerwerker Johann Georg Stuwer dann dafür, dass der Himmel über der Leopold­stadt in Flammen aufging. Ein Spektakel, das bis zu 40.000 Zuseher in seinen Bann zog – mehr, als so manches moderne Event vorweisen kann.

Pressefreiheit & Skandale

Die Wiener waren allerdings nicht nur begei­sterte Genießer, sondern auch begeisterte Zeitungsleser, vor allem, nachdem in der Stadt "das Licht angegangen" – und die staatliche Kontrolle abgeschafft worden war. Das geschah am 14. März 1848 mittels eines amtlichen Posters, auf dem verlautet wurde, dass "seine k.k. Apostolische Majestät die Aufhebung der Zensur und die alsbaldige Veröffentlichung eines Pressegesetzes allergnädigst zu beschließen geruht haben." Prompt brach ein Zeitungsgrün­dungsfieber aus, das innerhalb eines Jahres mehr als 300 periodische Druckschriften zur Folge hatte – darunter seriöse Tageszeitungen wie "Die Presse", deren Konzeption, Aufmachung und Gestaltung einem französischen Vorbild folgte, aber auch so skurrile Boulevardblättchen wie eine Zeitschrift namens "Die Geheimnisse von Wien", die ihren interessierten Lesern skandalöse "News" aus der feinen Gesellschaft enthüllte.
Sein und Schein, Skandale und Skandälchen prägten allerdings nicht nur den Blätterwald, sondern auch das Wiener Baugewerbe. Es wurde vorgetäuscht, was nur vorzutäuschen war. Naturstein beispielsweise, der in Form von Simsen und Zierleisten, Perlenbändern und "lau­fenden Hunden" (Wasserwellen), Kymatien (Blätter) und Ochsenaugenbändern "gegossen" und von Architekten als Meterware geordert werden konnte. Oder falscher Marmor, der mittels "Stuccolustro" erzeugt wurde, einer Maltechnik, die billigen Gips wie teuren Kalkstein aussehen ließ. Die Wiener hatten nichts dagegen, von Meisterhänden hinters Licht geführt zu werden. Ihr Motto lautete – wie auch in vielen anderen Bereichen – schlicht, einfach und "echt wienerisch": Hauptsache, es kostet nicht allzu viel – und schaut trotzdem gut aus.

Wein in Wien







Es wird ein Wein sein und wir werden nimmer sein mit dem Wein...


Wenn der junge Wein seine Sturm- und Drangzeit hinter sich hat, haben die „Heurigen“ in Grinzing, Jedlersdorf und Neustift am Walde Hochsaison. Und das seit beinahe zweitausend Jahren. Denn am „ausgsteckten“ Buschen grüner Zweige erkannten schon die römischen Legionäre: Hier wird genussvoll gezecht.

Wiener Wein

"Die Stadt Wien und ihr Wein: eine einzigartige, schicksalhafte Partnerschaft, die so alt ist wie die Donaumetropole selbst", schreibt Oliver Gruen in seinem Wiener Weinführer aus dem Jahre 2005. Tatsächlich ist Wien die einzige Landeshauptstadt der Welt, die über eine beträchtliche Weinproduktion - und damit über zahlreiche "echte" Heurige verfügt. Denn wer diesen Titel tragen will, darf ausschließlich Weine aus dem Eigenanbau verkaufen. In der Donaumetropole kein Problem: rund 700 Hektar Weinberge gibt es innerhalb der Stadtgrenzen, denen 450 Winzer rund 700.000 Liter pro Jahr entlocken. Da bleibt so schnell kein Gast auf dem Trockenen sitzt - und auch kein Gastwirt.
Die Stadt Wien besitzt sogar ein eigenes Weingut mit Rieden in den besten Lagen, für das sich Bürgermeister Dr. Michael Häupl seit vielen Jahren engagiert: 1905 wurde oben auf dem Cobenzl eine städtische Meierei errichtet, seit den siebziger Jahren wird der Weinbau forciert und seit 1988 ebenso exklusiv wie innovativ betrieben. So wurden an einem "Tag der offenen Kellertüre" drei neue Weinlinien vorgestellt – "Classic", "Senator" und "Mayor", denen Experten Spitzenplätze in der Landesweinverkostung prophezeien.

Es wird a Wein sein

Aber nicht nur die Stadt und ihr Wein, auch die Wiener und der Rebensaft sind ein ganz besonderes Gespann. "Heurige", so ist der deutsche Gourmet-Kritiker und Weinkenner Wolfram Siebeck nach monatelanger Recherche in Nußdorf, Sievering und Heiligenstadt überzeugt, "sind mit Weinlaub umrankte Biedermeierfassaden, hinter denen die Wiener zur Welt kommen und ihre Identität finden. Ihr Reiz beruht auf ihrer romantischen Herkunft und der unerklärlichen Wirkung, die sie auf moderne Menschen ausüben."
Tatsächlich scheinen schon Sturm und Staubiger die Wiener ganz gewaltig zu mobilisieren. Kaum ist der trübe Trunk in den Gläsern, tauschen selbst Gourmets die komfortable Umgebung von Hauben- und Sternerestaurants für einige Zeit mit harten Holzbänken und dem rustikalen Charme handfester Buffet-Schmankerln. Denn die Mischung aus jungem Wein, bodenständiger Küche und luftigem Ambiente ist ein Genuss der besonderen Art.

Saures Vergnügen

Ein Genuss, den schon die alten Römer zu schätzen wussten. Vom süßen, schweren Rotwein ihrer Heimat verwöhnt, stieß ihnen der Rebensaft in den Lagern rund um Vindobona im wahrsten Sinn des Wortes sauer auf. 
Und weil übellaunige Soldaten keine Schlacht und schon gar keinen Krieg gewinnen können, ließ Kaiser Marcus Aurelius an den Donauufern und in Pannonien neue Weinberge anlegen.
Der Lagerkoller war damit zwar besiegt, ganz zufrieden dürften die Legionäre mit ihrer Degradierung zu Winzern und Feldarbeitern dennoch nicht gewesen sein: Sie erschlugen ihren Kaiser, bevor noch die ersten Trauben gekeltert waren.
Sauer blieb der Wein freilich trotzdem. Das belegt nicht zuletzt die Anekdote über Friedrich III, der nach einem ersten Probeschluck umgehend befohlen haben soll, den "Reifbeißer" vom Markt zu nehmen und ihn zum Anrühren des Mörtels beim Turmbau der Wiener Stephanskirche zu verwenden.

Das Ende des Dopplers

Heute haben die Wiener keinen Grund mehr zur Klage. Der Trend geht eindeutig in Richtung Qualitätsweine, sprich: weg von den berühmt-berüchtigten Doppler, hin zum Anspruch in der Bouteille. Statt einem Viertel "gemischter Satz", einem "Nußberger" oder "Sieveringer" bestellt man heute beim Heurigen ein Glas Sauvignon blanc, Chardonnay oder Blauen Burgunder.
Die meisten Jungwinzer haben eine hervorragende Weinbau-Ausbildung genossen und zeigten nicht zuletzt mit der Gründung der Vereinigung "Vienna Classic", dass sie auch in der Welt der großen Weine ein Wörtchen mitreden möchten – und wohl auch können. Denn bereits 2001 brillierte der Weißburgunder "Vollmondlese" vom Weinbau Christ aus Jedlersdorf beim Österreichischen Weinsalon und stach damit alle Konkurrenten in dieser Kategorie aus.

Wein, Weib & Gesang

Dass zum Weingenuss mehr gehört als ein volles Glas, wussten die Wiener schon immer. Offiziell hatten Frauen bis ins 18. Jahrhundert zwar keinen Zutritt zu Schenken und Heurigen - inoffiziell waren sie freilich überall mit von der Partie. So traf man im "Lothringerkeller" bei der Hofburg auf die so genannten Audienzschwestern, die gegen ein Seidel Wein mehr oder minder gute Ratschläge für den Umgang mit Beamten gaben, oder ließ sich im "Klosterkeller" von Karmeliterinnen bedienen, die freche Gstanzeln sangen.
Auch für Gesang wurde – und wird - allenthalben gesorgt. Nicht immer zur Freude stiller Genießer. Doch Wein und Musik sind beim Heurigen untrennbar miteinander verbunden. Nicht umsonst sang mit Hans Moser ein echter "Weinbeißer" seinen Landsleuten aus der Seele: "I muaß in meim Lebn amal a Reblaus gwesen sein…".