Sonntag, 1. März 2015

Lipizzaner der Spanischen Hofreitschule

Die Lipizzaner gehören zu Wien wie der Stephansdom oder das Riesenrad.

Ballett der weißen Pferde

Wenn Reiter in Livrée und weißen hirschledernen Hosen auf weißen Pferden ihre Pirouetten drehen, dann weiß man, wo man ist: In der spanischen Hofreitschule, dem ältesten Reitinstitut der Welt.
Grauschwarz werden sie geboren. Aber in Weiß sind sie der ganzen Welt ein Begriff: Die Lipizzaner. Ihre Geschichte ist ebenso ruhmreich wie abenteuerlich, und dass sie heute – allen Nostalgievorwürfen zum Trotz – noch immer zu den wichtigsten Imageträgern der Bundeshauptstadt zählen, liegt nicht zuletzt an der perfekten Kombination aus barocker Tradition, spielerischer Leichtigkeit und kraftvoller Disziplin, die ihre "Hohe Schule" auszeichnet. Denn als schönste und stolzeste Botschafter Österreichs konnten ihnen politische Querelen noch nie etwas anhaben. Selbst den von Günther Nenning einmal angestrengten Vergleich finden sie höchstens zum Wiehern: Dass die Österreicher nämlich in Wirklichkeit Lipizzaner seien und die Lipizzaner eigentlich Österreicher - nämlich lebensklug, anpassungsfähig und künstlerisch begabt.

Perfekte Kreuzung

Anpassungsfähig sind diese Pferde tatsächlich. Denn weit entfernte Ahnen der Lipizzaner hatten schon die Reiterhorden Dschingis-Khans über die Steppen der Mongolei bis weit nach Europa getragen. Ihre direkten Vorfahren aber sollen aus Karthago stammen und an spanischen Küstenhäfen durch Kreuzung mit Arabern und Berbern zu jener Perfektion geformt worden sein, die die "Weißen Spanier" dazu prädestinierte, die klassische Reitkunst auszuüben. Doch erst im slowenischen Lipica wurden die Lipizzaner zu dem, was sie heute verkörpern: ein Sinnbild an Eleganz und Leichtfüßigkeit.

Spanischer Reitsaal

Maximilian II., der spätere Kaiser von Österreich, begann bereits um das Jahr 1562 mit der Zucht andalusischer Pferde. Dass ihn Erzherzog Karl II. anno 1580 veranlaßte, das Gestüt ausgerechnet in die Karstlandschaft nahe der slowenisch-italienischen Grenze zu bauen, erweis sich im nachhinein als unschätzbarer Vorteil: Das Gras der kargen Karstlandschaft enthält zwar nur wenige Nährstoffe, fördert aber den Knochenbau bei Pferden. Und widerstandsfähige, ausdauernde Tiere waren genau das, was der Hof in Wien benötigte. So wurden die reinrassigen Rösser vom Adel auch über alle Maßen geschätzt. Zum Hauptabnehmer der Neuzüchtungen entwickelte sich allerdings sehr schnell die Spanische Hofreitschule, die 1572 als "Spanischer Reitsaal" nahe der Wiener Hofburg gegründet worden war.



Kapriolen, Pirouetten & Kreuzfigur

Schon die ersten Bereiter, wie die Trainer der Pferde im Fachjargon genannt werden, waren vom vollendeten Körperbau und der kraftvollen Grazie der Lipizzaner begeistert. Noch heute ist die künstlerische Begabung der Hengste beispiellos im Reich der Pferde. Schritt, Trab, Galopp? Diese Begriffe erscheinen fast zu banal für die diffizilen Bewegungsabläufe, zu denen die "Majestic White Horses" fähig sind. Denn als lebendes Relikt der höfischen Prunk- und Festkultur wurden und werden Lipizzaner einzig zu einem Zweck gezüchtet: die Lektionen der klassischen, von den alten Griechen ersonnenen Reitkunst zu beherrschen und vorzuführen. Etwa die Kapriole, bei der das Pferd mit allen Vieren in die Luft springt und dabei nach hinten ausschlägt. Die Piaffe, bei der das Pferd mit gesenkter Hinterhand auf der Stelle trabt. Oder die Pirouette, bei der der galoppierende Hengst in höchster Verkürzung um seine Hinterbeine springt. Figuren, die heute die Besucher der Spanischen Reitschule in Verzückung versetzen. Figuren aber auch, die ursprünglich bewußt als martialische List am Kriegsfeld eingesetzt wurden. Die Leidtragenden dabei: Die Fußtruppen gegnerischer Armeen, die die Folgen der schwer vorhersehbaren Figuren der stolzen Rösser oft genug zu spüren bekamen.

Tradition der Hohen Schule

Heute wird diese hohe Schule der Dressur ausschließlich mündlich weitergegeben - von Bereiter zu Bereiter, von Generation zu Generation. Der traditionelle Trainingsablauf beginnt mit der öffentlich zugänglichen Morgenarbeit, bei der alle Lektionen der "Hohen Schule" geübt werden. Dazu gehört auch das Training für die sogenannten "Schulen über der Erde", die man nur mehr in der Spanischen Hofreitschule zeigt. Sie erfordern besonders intelligente, begabte und konzentrierte Pferde und hochqualifizierte Reiter, da diese Lektionen immer ohne Bügel geritten werden. Voraussetzung dafür ist die intensive Zusammenarbeit zwischen Mensch und Pferd, die auf Vertrauen und Respekt basiert.

Pferdeelite

Der Pferde-Nachwuchs kommt seit 1921 aus dem Gestüt Piber in der Steiermark, das heute als "Heimat der Lipizzaner" gilt. Dort verbringen die Fohlen ihre ersten Jahre und wiederholen spielerisch immer wieder jene Bewegungsabläufe, die später gemeinsam mit ihrem Bereiter zu höchster Vollendung gebracht werden. Doch nur die talentiertesten Hengste werden an einer eigenen "Akademie" ausgebildet und kommen in der Spanischen Hofreitschule in Wien zum Einsatz. Bis es soweit ist, vergehen rund acht Jahre, denn das Training erfolgt behutsam und ohne Druck, um die Pferde nicht zu überfordern.
Beherrscht ein Hengst die sogenannte "Schulquadrille", wird er dem Publikum in der 1729-35 von Fischer von Erlach erbauten "Winterreitschule" präsentiert. Ausgelernt haben dann allerdings weder Pferd noch Reiter, denn die Zusammenarbeit ist – fast – lebenslang. Erst nach vielen Jahren im Rampenlicht kehren die "tanzenden Hengste" in das Gestüt zurück, um ihr Talent weiterzuvererben und einer neuen Generation jener Eliterosse Platz zu machen, über die Xenophon in seiner Abhandlung "Von der Reitkunst"schrieb: "Auf solchen Pferden werden selbst Götter dargestellt. Und Männer, die gut zu reiten verstehen, sehen fürwahr prächtig darauf aus." 

Montag, 23. Februar 2015

Wien is(s)t auch exotisch

Wien hat weder „Chinatown“ noch „Little Italy“, aber jede Menge Ethno-Lokale mit exotischem Flair und Küche – von tibetischen Dumplings bis zum australischen Heuschreckensnack.

Rein technisch gesehen wird die Welt täglich kleiner: Internet und Handy sorgen für sekundenschnelle Verbindungen, und wer mit einem Jumbo von Kontinent zu Kontinent jettet, umrundet die Erde in weniger als 70 Stunden. In kulinarischer Hinsicht wird die Welt allerdings täglich größer: Neben Pizza und Pasta, die schon fast als Hausmannskost gelten, und dem klassischen „Chinesen ums Eck“, der den traditionellen Beisln Konkurrenz macht, erobern neue ethnische Küchen die heimischen Gaumen: japanisches Sushi und mexikanische Enchilladas, indische Curries und marokkanisches Couscous, Pfeffertöpfe aus der Karibik und Kokossorbets aus Thailand kommen zwar nicht oft, aber immer öfter auf den Tisch. Die Zutaten gibt es frisch am Markt oder sie werden, wie in vielen guten Ethno-Restaurants üblich, direkt aus dem Ursprungsland importiert.

Der Supermarkt Prosi

Wer keine Lust hat, sich am Naschmarkt durch die Menschenmengen zu drängeln, muss sich auf den Weg Richtung Urban-Loritz-Platz machen. Im Schatten der neuen Hauptbibliothek findet sich Wiens wohlsortiertester Supermarkt für asiatische, afrikanische und lateinamerikanische Spezialitäten. Mehr als 5000 Produkte stehen zur Auswahl – von Saucen und Pasten über ein riesiges Angebot an Tiefkühlprodukten, speziell Meeresfrüchten, bis hin zu frischem Obst und Gemüse. Für Exotik-Neulinge besonders interessant: die vielen Convenience-Produkte, u.a. indische und thailändische Curries, Suppen und Gemüsegerichte, die nur mehr kurz erhitzt werden müssen.
Wo: Prosi Exotic Supermarket, 1070 Wien, Neubaugürtel 44,http://www.prosisupermarket.com/


Der Wiener Deewan

Inder gibt es viele. Und auch die pakistanische Küche ist in Wien ganz gut vertreten. So gesehen wäre der Wiener Deewan, vom exotischen Namen einmal abgesehen, nichts Außergewöhnliches. Was ihn dennoch von seinen Mitbewerbern unterscheidet, ist das Geschäftskonzept: Jeder zahlt fürs "all-you-can-eat"-Buffet, was es ihm Wert ist, frei nach dem Motto "Pay as you wish!". 
Fixpreise gibt es nur bei den Getränken, Wasser kommt selbstverständlich gratis auf den Tisch. Jeweils 5 Gerichte stehen zur Auswahl, davon 3 vegetarische Varianten – meist herrlich-cremige Currys mit selbst gemischten, gerösteten und gemahlenen Gewürzen. Weiterer Pluspunkt: Take-away (zu Fixpreisen), Zustellservice in die nähere Umgebung mit "Curry Carrier" und Catering.
Wo: Der Wiener Deewan, 1090 Wien, Liechtensteinstraße 10, Url: http://deewan.at/

Crossfield´s Australian Pub

Wien ist anders! Und so verwundert es nicht, dass mitten in der City ein kulinarischer Außenposten Australiens existiert. Wer hinabsteigen will in die Welt von "Down Under", bekommt hier inmitten einer nachgebauten australischen Opalmine exotische Köstlichkeiten serviert – vom zarten Straußen- und Känguruh-Steaks über Krokodilfilets bis zu frittierten Heuschrecken. Die (vermeintliche) Mutprobe lässt sich leichter bestehen, wenn die Snacks der etwas anderen Art mit einem ordentlichen Schluck "Ayer's Rock Red" hinuntergespült werden. Schräg sind auch die wöchentlichen "Travia-Nights": Wer 20 Fragen aus allen nur denkbaren Wissens- und Sachgebieten beantworten kann (solo oder als Team), gewinnt den Jackpot mit australischen Goodies im Wert von 160 Euro.
Wo: Crossfield's Australian Pub, 1010 Wien, Maysedergasse 5, www.crossfield.at

Buchtipp "Wien, wie es isst"


Wien, wie es isst: Wiens umfangreichster Lokalführer mit über 4000 aktuellen Adressen, vom Würstelstand bis zum Gourmetrestaurant – benutzerfreundlich geordnet nach Bezirken, Kategorien und Alphabet. Mittlerweile ebenfalls schon Tradition: die Kom­men­tare und Empfehlungen profilierter Esser und Trinker samt Einkaufstipps. Direktbestellung im bookshop: www.falter.at

Sonntag, 22. Februar 2015

Markt-Tag ist Genuss-Tag

Mit achtzehn ständigen Märkten, unzähligen Wochenmärkte und dutzenden Gelegenheitsmärkten ist in Wien jeder Tag Markttag. Und Genusstag zugleich, denn die Märkte bieten Kulinarisches aus aller Welt – zum Verkosten, Mitnehmen oder Vor-Ort-Genießen.
Mehr als hundert Märkte hat der Wien-Kenner Walter T. Bauer in der Bundeshauptstadt gezählt – vom Altwiener Ostermarkt auf der Freyung, der mit Lokalkolorit punktet, bis zum prominenten Naschmarkt, der Gourmets und Touristen gleichermaßen anzieht.
Begonnen hat die wechselvolle Geschichte der Wiener Märkte bereits im Jahr 1150 mit der Verlegung der Babenberger-Residenz nach Wien. Ab diesem Zeitpunkt mussten durchziehende Kaufleute ihre Ware hier präsentieren – und trafen sich zu diesem Zweck auf Marktplätzen, deren Namen noch heute auf die frühere Nutzung verweisen: Hoher Markt, Fleischmarkt, Getreidemarkt oder Bauernmarkt.
Aber auch außerhalb der Stadtmauern wurde rege gehandelt. Beispielsweise "am Schanzl", wie der Uferstreifen des Donauarmes zwischen dem Rotenturm-Tor und der Kirche Maria am Gestade damals genannt wurde. Oder am "Ochsengries", wo jede Woche freitags am linken Ufer des Wienflusses im Bereich des heutigen Beethovenplatzes Schafe und Schweine, Rinder und Kälber verkauft wurden.
Von Fisch einmal abgesehen, wird heute kaum mehr Lebendvieh verkauft. Dafür kulinarische Köstlichkeiten aus aller Welt: Ob Altwiener Schmankerln oder türkischer Kebap, italienische Pasta oder chinesische Dim Sum – was auch immer der Gaumen begehrt, wird auf Wiens Märkten angeboten.
Wer hier lebt, hat also die Qual der Wahl – denn es lohnt sich, einmal über die eigenen Bezirksgrenzen hinweg das Marktangebot zu testen. Zehn sehr unterschiedliche Wiener Märkte stellen wir hier vor – 5 ständige Märkte, 5 Gelegenheitsmärkte. Eine Übersicht aller Märkte in Wiens Bezirken finden Sie auf der Internetseite des Wiener Marktamtes.

Naschmarkt

Der "Bauch von Wien" ist vielleicht nicht ganz so spektakulär wie seine Namensbrüder in Barcelona oder Paris – aber definitiv die heißeste Meile der ganzen Stadt für alle, die gerne shoppen und genießen. Die riesige Auswahl an exotischen Lebensmittel macht denNachmarktzum kulinarischen Multi-Kulti-Einkaufsparadies. Und nirgendwo sonst findet sich diese Kombination aus exzellenter Lebensmittelauswahl und abwechslungsreicher Gastronomie auf so engem Raum.

Flohmarkt Linke Wienzeile

1977 wurde der erste Flohmarkt im äußeren Bereich des Naschmarktes veranstaltet – mit mehr als 300 Verkäufern und tausenden Kaufwilligen. 
Mittlerweile ist er eine Institution – und die Jagd nach heißbegehrten Sammlerstücken und schnellen Schnäppchen ein wahrer Volkssport.

Karmelitermarkt

Kein Geheimtipp mehr – aber immer noch nicht überlaufen, und daher ein perfekter Ort für Liebhaber von entspanntem und entspannendem Einkaufsvergnügen. Umringt von schönen Häusern und einer überaus lebendigen Lokalszene, findet hier einer der besten Bauernmärkte Wiens mit naturbelassenen Wurst-, Fleisch- und Obstwaren statt. Neu: Wiens erster Slow Food Corner, wo jeden Samstag zur Verkostung neuer Produkte eingeladen wird.

Antiquitätenmarkt Am Hof

Hier schlagen Sammlerherzen höher: Ob antike Kunstgegenstände oder handgeschliffene Gläser, feines Porzellan, silbernes Besteck oder antiquarische Bücher – bei den 40 Antiquitätenhändlern Am Hof finden sich jedes Wochenende neue Raritäten.

Viktor-Adler-Markt

Mitten im "zehnten Hieb" drängt man sich durch ein Gewirr von multiethnisches Marktständen und Geschäften – vermutlich nicht viel anders als vor 125 Jahren, als der urige Marktplatz in Favoriten eröffnet wurde. Die engen Gassen mit den bunten Markisen garantieren sogar im Hochsommer angenehme Kühle. Am Bauernmarkt bieten bis zu 60 Produzenten ihre frische Ware feil. Wer Zeit hat zum Flanieren, entdeckt kleine Spezialitätenläden, in denen duftende Schätze wie in Höhlen verborgen sind.

Ü-Ei & PEZ Börse

Mehrmals im Jahr dreht sich alles ums Ei. Genauer gesagt: Ums Überraschungs-Ei. Und um die PEZ-Spender. Denn beide werden von Fans nicht nur gesammelt, sondern auf einer speziellen Börse auch fleißig getauscht und verkauft – ebenso wie das passende Zubehör, Werbematerial und andere Sammelobjekte.

Brunnenmarkt

Der Bobo-(Bourgeoise-Bohemien)-Faktor ist hier zu vernachlässigen: Wer auf Wiens letztem reinen Straßenmarkt seine Runden dreht, fühlt sich eher wie in einem orientalischen Souk. 
Denn nicht nur die Markstandler, auch die Käufer stammen zum Großteil aus dem türkisch-griechisch-levantinischen Raum. Der Ton ist rau, das Angebot reicht von Lebensmitteln bis zu Socken, und wer Lokalkolorit zu schätzen weiß, gönnt sich zum Abschluss wahlweise "Kebap extrascharf" oder "a Burenhäudl und an Buggl" an einem der unzähligen Imbiss-Stände.

Markt am Donaukanal

Flanieren und gustieren lässt es sich in den heißen Sommermonaten in der schattigen Promenade am Donaukanal. Ausgestellt wird hier vor allem Kunsthandwerk, aber auch Bücher- und Antiquitätenhändler bieten an den Sonntagnachmittagen ihre Ware feil.

Meidlinger Markt

Gut versteckt zwischen der Reschgasse und der Niederhofstraße ist das Markgeschehen noch fest in heimischer Hand: Am Meidlinger Markt sind die österreichischen Kaufleute in der Überzahl und die alte Tradition, Marktstände über viele Generationen in der Familie weiterzugeben, wird hoch gehalten. Neben Lebensmittelständen finden sich auch Gebrauchswaren- und Textilhändler, ein althergebrachter Laden für Gemüsekonserven und am Wochenende mobile Bauernstände mit frischer Ware aus Wiens Umland. Hektik ist hier ein Fremdwort – wer den Einkauf am Meidlinger Markt genießen will, braucht Zeit – und einen guten Schmäh.

Kunsthandwerk am Spittelberg


Nicht nur während der Adventszeit geht es im malerischen Ambiente der Spittelberggasse hoch her – auch in den Sommermonaten veranstaltet der Verein "Kunst + Handwerk vom Künstler" regelmäßig Kunsthandwerksmärkte mit Schmuck und Keramik, Metall- und Glasobjekten, Gestricktem und Gefilztem.
Wann & Wo: jedes erste Wochenende im Monat, Mai bis September, 1070 Wien, Spittelberggasse

Zentralfriedhof Wien

Dass die Wiener im Vergleich zu anderen Großstädtern eine besonders enge Beziehung zum Tod haben, sei zwar ein Klischee – aber ausnahmsweise eines, das stimmt, meint die Autorin Hanne Egghardt. Und liefert gleich passende Beispiele: Beim Heurigen kippt die sprichwörtliche Wiener Gemütlichkeit gern in eine abgrundtiefe Tod-Traurigkeit. Die sterblichen Überreste der Angehörigen des Kaiserhauses ruhen in Grüften, in denen ein eleganter Hauch von Ewigkeit weht. Ganze Museen mit Kuriositäten und Skurrilitäten rund um den Tod verbreiten wonnige Schauer. Und eine "schöne Leich", wie das repräsentative Begräbnis mit großer Trauergemeinde genannt wird, gibt immer noch Anlass zum Schwärmen. Egghardts Fazit: Die Todessehnsucht hat in Wien Heimatrecht. Und das sei eigentlich nur logisch: Denn die Wiener lieben das Leben. Also lieben sie auch den Tod, die andere Seite des Lebens.

Aphrodisiakum für Nekrophile

Besonders deutlich wird das am Zentralfriedhof. Mit einer Fläche von 2,4 Quadratkilometern und mehr als 300.000 Gräbern, in denen 3 Millionen Menschen bestattet sind, ist er nicht nur die größte Begräbnisstätte Europas, sondern auch ein beliebtes Ausflugsziel. "Aphrodisiakum für Nekrophilie" nannte ihn André Heller. Und tatsächlich scheint sich niemand an der Präsenz des Todes (und der Toten) zu stören. Die parkähnliche Anlage gilt vielen Wienern als idealer Ort zum Spazieren und zum Flanieren, als perfekter Treffunkt für intime Rendezvous oder sommerliche Picknicks mit Kind und Kegel. Man labt sich vor den Friedhofstoren an Würstelständen, kauft beim Blumenhändler den obligaten Sonntagsstrauß für die Frau Mama und kommt mit ein wenig Glück noch gratis in den Genuss höchster Kunst. Dann nämlich, wenn sich Philharmoniker und Chorsänger aus der Staatsoper am Rand offener Gräber mit schmalzigen "Averln" (Gounods "Ave Maria") oder gestrichenen Trauermärschen etwas dazu verdienen.
Selbst gejagt wird zwischen Kreuzen, Grabsteinen und Laternen: Jeden Herbst pirscht die Simmeringer Jägerschaft über den Zentralfriedhof und sorgt dafür, dass die Zahl der Hasen und Fasane nicht überhandnimmt.

Sparsarg & Schöne Leich

Ein Spaziergang durch die Gräberreihen zeigt aber auch: Für die Ewigkeit ist den Wienern nichts zu teuer. Mit der "schönen Leich", einer Beisetzung in großem Stil mit prunkvollem Kondukt, professionellen Grabrednern und opulentem Leichenschmaus, erweisen sie ihren Nächsten die letzte Reverenz. Immerhin die Hälfte aller Hinterbliebenen entscheidet sich für das kostspielige "Begräbnis erster Klasse". 
Gespart wird lieber anderswo. Und das schon seit ewigen Zeiten. Als Kaiser Joseph II. 1785 den "Sparsarg" verordnete, einen wieder verwendbaren Sarg mit Klappe auf der Unterseite, durch die der Tote ins Grab befördert werden konnte, stieß er auf erbitterten Widerstand. So genial die Erfindung auch war, die Wiener lehnten sie strikt ab, machten ihrer Entrüstung in Tumulten und Protestmärschen Luft und zwangen den Herrscher, seine Verordnung wieder zurückzunehmen.
Mit einer anderen Verordnung hatte die Obrigkeit mehr Glück. Obwohl der Eröffnung des ersten wirklich interkonfessionellen Friedhofs im Jahre 1874 bewegte Kontroversen vorausgingen, fand man einen Kompromiss. Heute gibt es in der Simmeringer Totenstadt neben dem katholischen Teil und den Ehrengräbern fünf weitere "Stadtviertel": Die alte und die neue israelitische Abteilung, die zusammen rund ein Drittel des gesamten Friedhofareals einnehmen, die evangelische Abteilung, die russisch-orthodoxe Abteilung, die Gedenkanlage für die Opfer im Kampf um Österreichs Freiheit 1934 – 45 und den "Friedhof der Roten Armee", wo die Grabinschriften in cyrillischer Schrift eingemeißelt sind.

Österreichisches Pantheon

Gleich bei Tor 3, dem prunkvollen, 1905 von Max Hegele gestalteten Hauptportal, beginnt die "City", in der die Reichen und Berühmten ihre letzte Adresse gefunden haben. Von "Ruhe" ist in diesem österreichischen Pantheon kaum die Rede, denn die Allee mit ihren Ehrengräbern ist der meistbesuchte Platz des Friedhofs. 
Beim Aufseher am Haupttor liegt ein Detailplan auf, ein Wegweiser zu den Ruhestätten großer Persönlichkeiten wie Johannes Brahms, Johann Strauß Vater und Sohn, Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Arthur Schnitzler, Curd Jürgens oder Helmut Qualtinger, von dem der wunderbare Ausspruch stammt: "In Wien musst' erst sterben, bevor sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst' lang." Nicht alle Gräber der V.I.P.-Abteilung beinhalten auch denjenigen, der draufsteht. Manchmal handelt es sich um ein reines Denkmal – wie bei Wolfgang Amadeus Mozart, der auf dem Friedhof St. Marx in einem Massengrab beerdigt wurde und dessen mutmaßlicher Schädel sich im Mozarteum in Salzburg befindet.
Zu einer wahren Pilgerstätte für Fans aus aller Welt hat sich in den vergangenen Jahren das überlebensgroße Ehrengrab von Johann Hölzel alias "Falco" entwickelt. "Österreichs einziger Popstar" verstarb am 6. Februar 1998. Und auch von ihm ist eine typisch österreichische Songzeile geblieben: "Muss ich erst sterben, um zu leben?".

Erst wann´s aus wird sein

Unbeabsichtigt hat der Falke damit einen Bogen zum Wienerlied geschlagen. Denn auch dort ist der Tod allgegenwärtig und tritt immer dann auf, wenn man ihn am wenigsten erwartet. 

Beim Heurigen etwa, wenn die Wellen der Gemütlichkeit und Weinseligkeit am höchsten schlagen. Nicht grausam, nicht furchterregend, sondern als geradezu selbstverständliche Tatsache, als Freund. 

"Erst wann's aus wird sein, mit aner Musi und an Wein..." ist eine Erinnerung an den Tod, die sich ebenso leicht singt wie "Verkauft's mei G'wand, i fahr in Himmel", oder das alte Fiakerlied: "Und kummt's amol zum O'fahrn, und wir i dann begrab'n, dann spannt's ma meine Rapp'n ein und führt's mi übern Grab'n..." Geradewegs Richtung Zentralfriedhof. Denn dort sind die echten Wiener zuhause. Wenn's erst einmal wirklich aus ist...

Es lebe der Zentralfriedhof

Wiener Museums-Landschaft

Die Museumslandschaft in Wien treibt auch skurrile Blüten und (ver-)führt interessierte Besucher in die Welt der Pomfineberer und Hutträger, der Ziegelschupfer und Krimineser.

Vielleicht liegt es an der Sammelleidenschaft der Wiener, vielleicht auch nur daran, dass in der ehemaligen Hauptstadt eines Weltreiches mit 50 Millionen Menschen soviel an Ausstellenswertem „hängen geblieben“ ist. Mit knapp 200 Museen und Gedenkstätten aus unterschiedlichsten Bereichen ist Wien in jedem Fall eine echte Schatzkammer für Freunde musealen Zeitvertreibs.
Denn es scheint kaum ein Thema zu geben, das nicht „museumswürdig“ wäre – von der Afrika-Kaffa-Äthiopien-Sammlung in Hietzing bis zum Ziegelmuseum in Penzing (nachzulesen im Internet unter www.wien-vienna.at und www.wien.gv.at).

Bestattungsmuseum

Der Tod, das muss ein Wiener sein... deshalb wurde hier auch die Beerdigung und die "schöne Leich" zur Kunst erhoben. Neben vielen anderen makaberen Exponaten ist im Bestattungsmuseum auch der berühmte "Sparsarg" aus den Tagen Josef II. ausgestellt: Er ließ sich mittels einen Klappe unten öffnen, die Leiche fiel ins Grab – und der Sarg wurde weiterverwendet.
Infos: BESTATTUNG WIEN GmbH, Goldeggasse 19, 1041 Wien, Tel.: 501 95 0, Mo. – Fr. 12 – 15 Uhr, freier Eintritt, telefonische Voranmeldung.

Afrika-Kaffa-Äthiopien-Sammlung

Der größte Teil der umfang­reichen Sammlung des Afrika-Kenners Friedrich Julius Bieber befindet sich im Wiener Völkerkundemuseum. Sein Arbeitszimmer und viele Sammelstücke aus Privatbesitz wurden allerdings dem Bezirksmuseum Hietzing einverleibt. Der ehemalige Mitarbeiter der österreichischen Handelsmission in Abessinien erhielt Anfang des vorigen Jahrhunderts vom Negus persönlich die selten erteilte Erlaubnis, die Provinzen des ehemaligen Kaffa zu erforschen.
Infos: Bezirksmuseum Hietzing, Am Platz 2, 1130 Wien, Tel.: 877 76 88, Mi. 14 - 18 Uhr, Sa. 14 - 17 Uhr, So. 9.30 - 12 Uhr, freier Eintritt.

Circus- und Clownmuseum

Nicht nur für Kinder ein Hit: Die zirkushistorische Sammlung des Museums für Unterhaltungskunst mit Originalkostümen, alten Urkunden, Dioramen und wertvollem Bildmaterial. Ein Teil der Ausstellung ist dem Wiener Prater gewidmet. Prunkstücke sind Erinnerungen an die einst weltbe­rühm­te Raubtierdompteuse Miss Senide und den russischen Rumpfmen­schen Nico­lai W. Kubelkoff, dem das Calafatti-Ringelspiel, ein Tobogan und die Mane­ge "Parisien" gehörten.

Infos: Circus- und Clownmuseum, Ilgplatz 7, 1020 Wien, Tel.: 0676/340 75 65, Sonntag, 10.00 - 13.00 Uhr, jeden 1. u. 3. Donnerstag im Monat, 19.00 - 21.00 Uhr

Kaiser Franz Joseph Hutmuseum

Anderswo mag es heißen: "Finger weg!". Im Kaiser Franz Joseph Hutmuseum dürfen viele Exponate nicht nur berührt, sondern auch getragen werden. 
Das Erlebnis-Museum liegt im 300 Jahre alten Piaristenkeller, die Führungen erfolgen bei Kerzenschein im Beisein eines Weinexperten, der Geschichte und Zeitgeist der K.u.K. Zeit "erlebbar" macht – und dazu einen guten Schluck serviert.
Infos: Piaristenkeller, Piaristengasse 45, 1080 Wien, Tel.: 406 01 93, spezielle Arrangements nach tel. Vereinbarung

Wiener Kriminalmuseum

Ob Anarchistenterror oder die Geschichte vom poetischen Dienstmädchenmörder Hugo Schenk - das "dunkle Wien" der letzten dreihundert Jahre wird beim Gang durch das Kriminalmuseum wieder lebendig. 

In zwanzig Räumen durchschreiten die Besucher die Geschichte der Kriminalität und der "Krimineser" (= Kriminalbeamten) vom späten Mittelalter bis in neue Zeit. Idyllischer Gegensatz: der malerische "Pablatschenhof" des Hauses, ein architektonisches Juwel aus der historischen Vorstadt.
Infos: Kriminalmuseum, Große Sperlgasse 24, 1020 Wien, Tel.: 214 46 78, Do. – So. 10 -17 Uhr und nach tel. Vereinbarung.

Männer-Gesangverein Museum

Es gibt solche und solche Museums-Schätze. Im Chormuseum des Wiener Männergesang-Vereins sind die Schätze zum Teil recht skurril: Eine Nachbildung des Schädels von Franz Schubert und der Sargschlüssel in Gold von seiner Wiederbestattung, eine Haarlocke Ludwig van Beethovens und ein Tapeten- und Parkettbodenstück aus seinem Sterbezimmer, Anton Bruckners Totenmaske und last, but not least, die Bürgerurkunde von Johann Strauß Sohn.
InfosChormuseum im Gebäude der Gesellschaft der Musikfreunde, Bösendorferstraße 12, 1010 Wien, Museumsführungen werden nach telefonischer Vereinbarung mit Erich Lebisch unter der Telefon Nr.: 06644004211 gerne angeboten.

Wiener Ziegelmuseum

Man glaubt es kaum, aber es gibt tatsächlich Menschen, die extra in den 14. Bezirk fahren, um sich Ziegel anzusehen. Nicht irgendwelche Ziegel, zugegeben. Sondern Europas größte Mauerziegelsammlung, ergänzt durch Dachziegel, Pflasterziegel, Fassadenelemente, Ofenkacheln, Mosaikplatten und dergleichen mehr. Schwerpunkt ist der Aufbau einer Dokumentation aller in Österreich je gewesenen bzw. noch bestehenden Ziegelöfen und einer Ziegelzeichen- und Ziegelofenkartei.
Infos: Ziegelmuseum, Penzinger Straße 59, 1140 Wien, Tel.: 897 28 52, jeden 1. + 3. Sonntag im Monat von 10 - 12 Uhr, 

Erstes Wiener Schokoladenmuseum


Alles was Sie schon immer über Schokolade wissen – und erschmecken wollten. Denn im Schokomuseum wird selbstverständlich nicht nur gezeigt, wie man aus Schokolade kleine Kunstwerke macht – die essbaren Köstlichkeiten dürfen auch vor Ort verkostet werden. 
Natürlich frisch aus Meisterhand, schließlich befindet sich das Museum direkt am Produktionsstandort der Confiserie Heindl.
Infos: Schokolademuseum, Willendorfergasse 2 - 8, 1230 Wien, Tel.: 667 21 10-0, Führung Mo. – Do. jeweils 14 Uhr, Gruppenführung nach tel. Vereinbarung

Im Prater blühen wieder die Bäume

Ob Riesenrad, Hochschaubahn, Ringelspiel, Calafati oder Praterauen, Lusthaus, Schweizer Haus, der Prater lädt ganzjährig zur Erholung ein.

Unterm Riesenrad

Um sich in Kopenhagen zu amüsieren, geht man in den Tivoli. Wer in Paris eine elegante Promenade sucht, schlendert über die Champs-Élysées. Die Münchner spazieren durch den Englischen Garten, um am Chinesischen Turm ein Bier zu trinken. Die Londoner machen am Sonntag einen Ausflug zum Pferderennen nach Ascot und die New Yorker joggen durch den Central Park. Den Wienern imponieren diese berühmten Stätten der Freizeitgestaltung wenig, denn "ihr" Prater bietet das alles seit mehr als 250 Jahren – und noch viel mehr!
1766 wurde das ehemals kaiserliche Jagdgebiet jenseits des ersten Bezirks für jedermann geöffnet. Eine Ankündigung, die von der Stadtbevölkerung mit großer Begeisterung aufgenommen wurde. Seither wohnen und leben die Wiener mit und in "ihrem" Prater, so wie sie auch mit und in "ihrem" Kaffehaus leben und wohnen. Denn das Gebiet zwischen Riesenrad und Lusthaus, zwischen Jesuitenwiese, Trabrennbahn und Donauauen war und ist ein Freizeitparadies vom Feinsten – besser, schöner und vor allem vielseitiger als jedes moderne Disneyland.
Hier gab (und gibt) es das ganze Jahr über unendlich viel zu sehen und zu erleben: Lärmende Gasthäuser und stille Kaffehausterrassen, Zirkus und Feuerwerk, Blumenkorso und Marathon, Riesenrad und Lilliputbahn, Volkssänger und Wanderkomödianten, Sterngucker und Wahrsagerinnen, Herrenreiter und Prater-Dirnen, Hutschenschleuderer und Glücksritter, kurz: Beschaulichkeit und Sensation, Sport, Vergnügen und Laster. Wie in einem Brennspiegel kommt die ganze Vielfalt der Donaumetropole zusammen – und nicht nur die Wiener lieben das Ergebnis, sondern auch alle auswärtigen Besucher. Selbst Napoleon, der Wien 1805 besetzte, konnte sich dem Reiz des Praters nicht entziehen und ließ seine Generäle wissen, dass er "die Tuilerien dafür geben würde, könnte ich den Parisern diesen Wald mitbringen".

Der Prater feiert und tanzt

Was den Prater so unvergleichlich macht, hat schon so mancher Schriftsteller zu beschreiben versucht. Kaum einer hat allerdings so viele alte "Gschichteln" und Augenzeugen-Berichte, amüsante Anekdoten und historische Dokumente zusammengetragen wie Bartel F. Sinhuber in seinem Prater-Buch "Unterm Riesenrad". Er nimmt den Leser mit zurück bis zum ersten grossen Praterfest im Lusthaus, mit dem 1814 der tanzende Wiener Kongreß eröffnet wurde und das dem Prater zu seiner weltweiten Berühmtheit verhalf. Er berichtet von populären Attraktionen und verschwiegenen Aktionen, von bekannten Praterunternehmern wie Calafatti und von den geheimgehaltenen Pannen beim Bau der Rotunde. Und er läßt den Leser an den Pferderennen in der Freudenau und den Fiakerrennen in der Krieau teilnehmen, zeigt ihm auf der Terrasse der Meierei die sonntäglichen Flaneure und erzählt ihm dabei, was unterm Riesenrad verschwunden, was geblieben und was in den letzten Jahren wiederbelebt wurde.
Denn der Prater ändert sich, ohne dabei jemals sein typisches Flair zu verlieren. Bestes Beispiel dafür sind die Gasthäuser und Kaffees in und rund um den Wurstelprater. "Wer sehen will, wie gerne die Wiener essen und trinken, der gehe hierher und er wird staunen", schrieb ein Praterbesucher des ausgehenden 18. Jahrhunderts in sein Reisetagebuch: "Man speisset hier von 10 Creutzern an bis zu 3 und 4 Gulden und an schönen warmen Sonntagen sind die Gasthäuser bis auf den letzten Platz besetzt." Daran hat sich (von den Preisen einmal abgesehen) bis heute nichts geändert, auch wenn es Traditionslokale wie den "Glückshafen", den "Eisvogel" oder das "Weiße Rössl" schon lange nicht mehr gibt. Dafür hat der "Englische Reiter" ebenso überlebt wie das "Schweizerhaus", in dem seit ewigen Zeiten die besten Stelzen serviert und das süffigste Pilsner ausgeschenkt werden.

Ringelspiel & Hochschaubahn

Überlebt haben auch viele der alten Praterattraktionen – vom Riesenrad bis zum Ringelspiel. Ersteres wurde 1897 vom englischen Ingenieur Walter Basset aufgestellt und war ursprünglich mit 30 Waggons ausgestattet. Letzteres hat seinen Namen, weil die Fahrgäste, die auf kunstvoll gestalteten Hutschpferden in luftige Höhen geschwungen wurden, während ihres "Rittes" mit langen Stangen in Ringe stechen konnten.
Mit der Entwicklung der Technik und der Elektrizität wurde das Unterhaltungsangebot im Prater immer vielfältiger. Im aufkommenden Eisenbahnzeitalter gründete der in Triest geborene Basilio Calafati im Jahre 1844 das erste Eisenbahnkarussell. In dieser Hütte wurde kurz darauf die Figur des "großen Chinesers" als Mast aufgestellt. Als die "lebenden Bilder", die Kinomatographie, entstand, gab es prompt das erste Prater-Kino. Und kaum war Strom verfügbar, drehte auch schon eine elektrisch betriebene Grottenbahn ihre Runden, gefolgt von einem "Autodrom" und der ersten echten "Geisterbahn". 1928 wurden dann die Schienen für eine verkleinerte Form der großen Dampflokomotiven, die "Liliputbahn", gelegt, die heute noch Groß und Klein durch die Praterwälder fährt.
Verschwunden sind dagegen die von den Wienern heißgeliebten Abnormitätenshows, bei denen Liliputaner, Haarmenschen, siamesische Zwillinge und andere "Freaks" gegen wenig Geld zur allgemeinen Belustigung freigegeben wurden. Die dicke Prater-Mitzi oder der aus Russland stammende Rumpfmensch Kobelkoff, aber auch das gespenstische "Zaubertheather" von Kratky Baschik bereicherten die Morphologie der bizarren Praterlandschaft.
Von der Geschichte gänzlich verschluckt wurde auch das prachtvolle "Venedig in Wien". Auf dem Gelände der heutigen Kaiserwiese befand sich um die Jahrhundertwende eine künstlich nachgebaute Lagunenstadt mit venezianischen Palazzi und Gondelfahrten, in der sich nicht nur die High-Society, sondern auch die böhmischen Dienstmägde und die Soldaten des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaates amüsierten. Berühmt-berüchtigt waren die exotischen Veranstaltungen, mit denen immer neue Besucher angelockt wurden: Stierkämpfe und Damenboxen, Raubtierdressur und japanische Ringkämpfe, Rollschuhshows und Gauklerbühnen.
The Wiener Riesenrad (Bild: AllPosters)

Als in Wien das Licht anging



Auf den ersten Blick ist Wien eine moderne Großstadt, doch wer genauer hinsieht, findet unzählige Relikte aus der „guten alten Zeit“.

Der Drehbuchautor und Dokumen­tarfilmer Hermann Delacher hat sich mit der Neugier des leidenschaftlichen Stadtwan­derers auf die Suche nach den Ursprüngen unserer Alltagskultur gemacht und ent­deckte dabei Kurioses, Skurriles und Schräges aus der versunkenen Welt des alten Wien.

Die meisten Wiener glauben, ihre Stadt zu kennen. Sie wissen, wo es die besten Schnitzel und den süffigsten Wein gibt, in welchen verschwiegenen Ecken man sich unentdeckt romanti­schen Gefühlen hingeben kann und an welchen Orten das pralle Leben lockt, wann Hermann Leopoldi das letzte Mal den „Stillen Zecher“ gesungen hat und wie lang der Watschenmann im Wurstelprater schon auf den Held der Vorstadt wartet.

Drehbuchautor & Dokumen­tarfilmer H. Delacher

Umso erstaunlicher, dass erst ein Salzburger kommen musste, um den Wienern zu zeigen, dass ihre heiß geliebte Stadt noch mit zahlreichen kuriosen und bizarren, schrulligen und extrav­aganten Alltags-Geschichten aufwarten kann, die kaum ein Einheimischer kennt, geschweige denn ein "Zuagroaster" oder ein Tourist.
Oder wussten Sie, dass die ersten Straßenlaternen, die 1688 unter Kaiser Leopold I. "zur Abwendung und Verhütung nächtlicher Ungelegenheiten" entzündet wurden, so unbrauchbar-trübe Funzeln waren, dass die Wiener spotteten, man zünde sie nur an, "damit man sieht, wie finster es ist."? Dass die erste Frau am Wiener Galgen eine Gattenmörderin war, die bei ihrer Hinrichtung 1809 auf der Richtstätte bei der Spinnerin am Kreuz für einen "unbeschreiblichen Zulauf des Volkes sorgte, da man in Wien noch keine Weibsperson hatte hängen sehen", wie die zeitgenössischen Tageszeitungen zu berichten wussten? Oder dass es knapp nach der Jahr­hundertwende bereits 59 öffentliche Bedürfnisanstalten mit 434 Wasserklosetts gab, die aller­dings aus unerfindlichen Gründen nicht von einem Wiener, sondern von einem Berliner Unternehmen errichtet worden waren?

Zeiselwagen & Sesselträger

Die Entwicklung Wiens und der Umbruch zur Moderne ist gepflastert mit derartigen Kuriositäten und Attraktionen, die allerdings in vielen Bereichen die Basis für jene Standards im Transport und bei der Energieversorgung, im Gesundheitsbereich und in kulturellen Belangen bilden, die wir heute für selbstverständlich halten.
Ein typisches Beispiel ist der "Zeiselwagen", von seinen Benutzern liebevoll "Linienschiff", "Luftbiskotten" oder "Lemonikraxn" genannt. Als gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Wien die sonntäglichen Visiten aufs Land in Mode kamen, zwängten sich so viele Ausflügler auf die Holzbänke dieser erstmals für jedermann erschwinglichen Transportmittel, dass die Kutscher mit ihren typischen weißen Hüten, vulgo "Pinsch", auf den Deichselstangen sitzen mussten. "Durch diese Fuhrwerke ist es auch der ärmsten Klasse möglich, sich am Sonntag auf dem Land zu unterhalten und dort tiefste und nachhaltende Beglückung der Seele nach dem grauen Alltag des Großstadtlebens zu finden", notierte ein sozialromantischer Wienbesucher anno 1833.
Um ihr Seelenleben ging es den Ausflüglern damals allerdings ebenso wenig wie den Heuri­genbesuchern heute: Was sie suchten (und fanden) waren kulinarische Genüsse und boden­ständige Unterhaltung. Im Paradeisgartel auf der Mölkerbastei promenierte man zwischen Springbrunnen und Salettln oder trank im Kaffeehaus des einstigen Spions Pietro Corti Limo­nade und Mandelmilch, in Schönbrunn besuchte man die exotischen Elefanten, im Augarten ließ man sich vom Hoftraiteur Jahn die besten Weine und Liköre servieren, und wer viel Zeit hatte, machte zuerst eine kurze Pilgerfahrt um den Kalvarienberg und delektierte sich anschließend bei den fliegenden Händlern an Brezeln und türkischem Honig, gesponnenem Zucker und picksüßem Marzipan.

Watschenmann & Praterfee


Absoluter Hauptanziehungspunkt war aber – damals wie heute - der 1766 von Joseph II eröffnete Prater, wo Dutzende "bürgerliche Gast­geber und Kaffeesieder" für gastronomische Vielfalt sorgten. Wer nicht mit einem eigenen Picknickkorb kam, konnte beim Salmutschi einkaufen, sich vom Radimann einen Rettich kunstvoll in Lampionform schneiden oder sich von der Znaimerin saftige Gurkerln aus dem Fass fischen lassen. Die besten Backhendln gab es im Wirtshaus "Zum grünen Paperl", die beste Musik beim "Swoboda", und wer vom vielen Ringelspielfahren schwindlig wurde, kehrte beim "Walfisch" auf ein Wienerschnitzel ein.
Für Unterhaltung war ebenfalls gesorgt: Die Vorgänger der modernen Eventkünstler und Aktionisten, der Straßenmusiker und Bühnen-Stars waren reisende Schausteller und Kunst­reiter, Eskamoteure und Voltigeure, Akrobaten und Artisten. Mitte des 19. Jahrhunderts besaß ein Herr Heinrich Schreyer im Prater sogar ein echtes Affentheater, und wer 12 Kreuzer auf den Tisch legte, konnte in der Jägerzeile einen ausgewachsenen Stier bewundern, der wegen seiner "Frömmigkeit" zu Ruhm und Ehren gelangt war. In den Abendstunden sorgte der begnadete Feuerwerker Johann Georg Stuwer dann dafür, dass der Himmel über der Leopold­stadt in Flammen aufging. Ein Spektakel, das bis zu 40.000 Zuseher in seinen Bann zog – mehr, als so manches moderne Event vorweisen kann.